Am 26. September wird der neue Bundestag gewählt. Die DGPPN fordert die Politik auf, in der Legislaturperiode 2021–2025 der psychischen Gesundheit höchste Priorität beizumessen. Denn psychische Erkrankungen sind Volkskrankheiten und stellen eine der größten gesellschaftlichen Herausforderungen unserer Zeit dar. Für die Betroffenen und ihre Angehörigen sind sie mit massivem Leid verbunden und gehen mit gravierenden Einschränkungen im sozialen und beruflichen Leben einher.
Psychische Gesundheit geht uns alle an. Mehr als jeder Vierte leidet im Zeitraum eines Jahres an einer psychischen Erkrankung. Doch nur bei jedem Fünften kommt professionelle Hilfe an. Dass die Belastung für viele Menschen immer größer wird, zeigen die Krankenstandsanalysen: Über die letzten Jahrzehnte haben sich psychische Erkrankungen zur zeithäufigsten Ursache für Arbeitsunfähigkeitstage entwickelt und stellen den häufigsten Grund für Frühberentungen dar. Damit verursachen sie auch enorme Kosten für die Gesellschaft. Psychische Erkrankungen führen häufig zu sozialem Abstieg, Armut und Diskriminierung. Nur jeder Zehnte mit einer chronisch verlaufenden psychischen Erkrankung ist auf dem ersten Arbeitsmarkt integriert. Trotzdem ist das Versorgungs- und Rehabilitationssystem in Deutschland noch längst nicht so aufgestellt, wie es für die Betroffenen notwendig wäre. Die DGPPN hat eine Reihe von Problemfeldern identifiziert, in denen Handlungsbedarf besteht. Das Ziel ist klar: Die besonderen Bedürfnisse von Menschen mit psychischen Erkrankungen müssen in allen Bereichen der Gesellschaft mehr Aufmerksamkeit erfahren. Auf die einzelnen politischen Bereiche übertragen, ergeben sich daraus für die nächste Legislaturperiode die folgenden Handlungsfelder.
Die moderne Gesellschaft stellt an jeden Einzelnen immer höhere Ansprüche in Hinblick auf seine Flexibilität, Mobilität, Anpassungs- und Leistungsfähigkeit. Viele halten dem Druck nicht mehr Stand. Dies verdeutlichen die Krankenkassenzahlen. Darüber hinaus muss die Aufmerksamkeit auch besonders vulnerablen Bevölkerungsgruppen wie zum Beispiel Kindern psychisch erkrankter Eltern, älteren Menschen, Menschen mit Migrationshintergrund sowie traumatisierten und sozial benachteiligten Menschen zukommen. Die DGPPN setzt sich deshalb dafür ein, dass Angebote zur Prävention, Früherkennung und Frühbehandlung von psychischen Erkrankungen weiter ausgebaut werden.
Die Forderungen der DGPPN an die Bundespolitik:
Psychische Erkrankungen wirken sich für Betroffene und ihre Angehörigen auf nahezu alle Lebensbereiche aus. Sie gehen gewöhnlich mit schweren Einschränkungen in der sozialen Interaktion und Arbeitsfähigkeit einher und verlaufen sehr unterschiedlich. Diesen besonderen Bedürfnissen Rechnung zu tragen, erfordert eine Versorgungsplanung, die bestehende Zugangsbarrieren abbaut und flexible, multiprofessionelle, sektoren- und SGB-übergreifende multimodale Angebote vorhält. Die DGPPN setzt sich deshalb dafür ein, dass die bereits begonnenen Reformen konsequent weitergeführt und noch stärker auf die besonderen Bedürfnisse von Menschen mit psychischen Erkrankungen zugeschnitten werden. Das bereits bestehende Hilfesystem muss besser vernetzt, ausgestattet und zugänglich sein. Falls notwendig, sollten finanzielle Mittel bereitgestellt werden, um das Angebot zu erweitern und zu flexibilisieren.
Die Forderungen der DGPPN an die Bundespolitik:
Neue wissenschaftliche Erkenntnisse sind notwendig, um die Gesundheit, Lebensqualität und Teilhabe von Menschen mit psychischen Erkrankungen zu verbessern und gleichzeitig die enormen gesamtgesellschaftlichen Kosten zu begrenzen. Während diese Kosten etwa 5 % des Bruttoinlandsprodukts betragen, werden nur 1 % der öffentlich geförderten Gesundheitsforschung in die Erforschung psychischer Erkrankungen investiert. Die Gründung eines Deutschen Zentrums für Psychische Gesundheit durch das BMBF und die Etablierung des Innovationsfonds beim G-BA sind deshalb Meilensteine auf dem Weg zu einer angemessenen Finanzierung. Die DGPPN setzt sich dafür ein, dass im Deutschen Zentrum für psychische Gesundheit die drängendsten Fragen und um Versorgung und Teilhabe von Menschen mit psychischen Erkrankungen bearbeitet werden, wissenschaftliche Erkenntnisse schnell in der klinischen Praxis ankommen und die Breite und Interdisziplinarität der deutschen Forschungslandschaft erhalten bleibt.
Die Forderungen der DGPPN an die Bundespolitik:
Die soziale Situation von Menschen mit schweren psychischen Erkrankungen ist kritisch. Junge betroffene Menschen verfehlen zu oft eine Berufsausbildung oder ein Studium und werden ihrer Lebenschancen beraubt; Berufstätige bleiben zu lange arbeitsunfähig und kehren zu selten wieder in den ersten Arbeitsmarkt zurück; Menschen mit chronischen Verläufen werden zu häufig langzeitarbeitslos, erwerbsunfähig und verlieren ggfs. sogar ihre Wohnung und Existenzgrundlage. Die DGPPN setzt sich deshalb dafür ein, dass Versorgung in der Lebenswelt wie zum Beispiel psychosoziale Therapien sowie effektive Rehabilitationsangebote niedrigschwellig erreichbar, besser miteinander verknüpft und auf die Betroffenen zugeschnitten sind.
Die Forderungen der DGPPN an die Bundespolitik:
Psychische Erkrankungen können die Betroffenen in ihrer Fähigkeit, freie Entscheidungen zu treffen, erheblich einschränken. Falls sie ihre Gesundheit oder ihr Leben oder das von Dritten erheblich gefährden und alle anderen Möglichkeiten ausgeschöpft sind, können Maßnahmen gegen ihren Willen ergriffen werden. Dies betrifft etwa jeden zehnten Patienten einer psychiatrischen Klinik, darüber hinaus auch Patienten somatischer Krankenhäuser und Bewohner von Altenheimen. Unterbringungen und Zwangsmaßnahmen stellen schwere Eingriffe in die Grundrechte der Betroffenen dar und erfordern hohe rechtliche Hürden. Die DGPPN setzt sich deshalb dafür ein, dass Patientenrechte und Autonomie von Menschen mit schweren psychischen Erkrankungen geschützt, Selbsthilfe und Trialog gestärkt, die Transparenz erhöht und wirksame Maßnahmen zur Vermeidung von Zwang ergriffen werden.
Die Forderungen der DGPPN an die Bundespolitik:
Zur Beratung der notwendigen politischen und gesetzgeberischen Aktivitäten bei der Weiterentwicklung von Versorgung, Forschung und Teilhabe muss die Politik eine trialogisch besetzte Expertenkommission einberufen.
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